Harnblasenkarzinom
Allgemeines
In der Bundesrepublik Deutschland erkranken jährlich ca. 16.000 Patienten neu an einer bösartigen Erkrankung der Harnblase, dem Harnblasenkrebs. Dieser Tumor entsteht in den meisten Fällen aus dem so genannten Urothel. Das Urothel ist die Auskleidung der Harnblaseninnenwand, also die Innenhaut der Blase. Der Altersgipfel der Erkrankten liegt zwischen dem 60. und 80. Lebensjahr, nur 5 % sind jünger als 45 Jahre.
Zahlreiche chemische Stoffe werden mit der Entstehung von Harnblasenkrebs in Verbindung gebracht. Zigarettenrauchen wird für etwa die Hälfte aller Erkrankungsfälle bei Männern und 30 % bei Frauen verantwortlich gemacht. Bei langjährigem Kontakt mit Stoffen, die in der Textil-, Leder- oder Farbindustrie verwendet werden, steigt das Erkrankungsrisiko. Auch bestimmte Medikamente und chronische Entzündungen fördern die Krebsentstehung in der Harnblase.
Symptome
Bei den meisten der Patienten fällt eine, in der Regel schmerzlose, rötliche bis braune Färbung des Urins (=Makrohämaturie) auf, verursacht durch eine Blutung des Tumors. Auch häufiger Harndrang, wobei jeweils nur eine geringe Menge Harn entleert wird, kommt bei rund 30 % der Betroffenen vor.
Diagnostik
Wichtigste Untersuchungsmethode zur Feststellung ob ein Harnblasenkrebs vorliegt, ist die Blasenspiegelung (=Zystoskopie). Bei dieser Untersuchung betrachtet der Urologe die Blaseninnenwand über die Harnröhre hindurch mit einem starren oder flexiblen dünnen Rohr. Gleichzeitig kann er aus verdächtigen Arealen Gewebeproben entnehmen. Die feingewebliche Begutachtung der Proben gibt Aufschluss darüber, ob es sich um Krebs handelt und wie tief der Tumor in die Blasenwand eingedrungen ist. Bestätigt sich der Verdacht auf Harnblasenkrebs, sind weitere Untersuchungen erforderlich, um die Ausbreitung der Erkrankung zu bestimmen.
Therapie
Die Behandlung richtet sich nach der Ausbreitung des Tumors: Bei einem oberflächlichem Harnblasenkrebs hat der Tumor noch nicht die Muskelschicht der Harnblasenwand befallen. Meist kann der Urologe während der Blasenspiegelung diese Tumoren mit einer elektrischen Schlinge (=TUR-Blase) abtragen. In der Regel haben diese Patienten eine sehr günstige Prognose, in vielen Fällen wachsen jedoch nach ein paar Monaten oder Jahren erneut solche Gewächse in der Harnblase. Aufgrund dessen werden zur Vorbeugung nach der elektrischen Abtragung noch ambulant Medikamente über die Harnröhre in die Harnblase eingespritzt.
Hat der Tumor die Muskelschicht der Blasenwand befallen oder liegt ein sehr aggressiver oberflächlicher Harnblasenkrebs vor, bietet die vollständige operative Entfernung der Blase die beste Aussicht auf Heilung (= Zystektomie). Bei Männern wird meistens zusätzlich die Prostata mit den Samenbläschen entfernt, bei Befall der Harnröhre auch diese. Bei Frauen werden zusätzlich die Gebärmutter, die Harnröhre und meist auch die Eierstöcke entfernt. Eine teilweise Entfernung der Harnblase hat sich nicht bewährt und kommt nur in ausgewählten Fällen in Frage.
Für die Urinableitung nach der operativen Entfernung der Harnblase stehen verschiedene Möglichkeiten, in Abhängigkeit von der Erkrankungssituation, dem Alter und dem Allgemeinzustand des Patienten, zur Wahl.
Bei der Bildung einer Ersatzblase (Neoblase) aus Darm, in die die Harnleiter neu eingepflanzt werden und die an die Harnröhre angeschlossen wird kann die Blasenentleerung auf natürlichem Wege erfolgen. In manchen Fällen wird ebenfalls aus Darm eine Ersatzblase gebildet, die über einen kleinen, kaum sichtbaren Ausgang im Bereich des Nabels mittels eines dünnen Katheters entleert werden kann. Der Ausgang verfügt über einen Ventilmechanismus, so dass der Patient keinen unwillkürlichen Urinverlust erleidet (= trockenes Stoma).
Die Harnleiter können aber auch in ein ausgeschaltetes Stück Darm eingepflanzt werden, dessen offenes Ende über die Bauchhaut nach außen abgeleitet wird (= nasses Stoma).
Bestehen bereits Absiedlungen (=Metastasen) des Harnblasenkrebses in andere Körperregionen, (wie z.B. Lymphabflussstationen, Lunge, Leber, Knochen) wird die Behandlung individuell festgelegt. Neben der Gabe von Medikamenten (Chemotherapie) zur Behandlung dieser Absiedlungen kann in Abhängigkeit von Beschwerden im Bereich der Harnblase neben einer operativen Therapie (z.B. TUR-B; Zystektomie) auch eine Bestrahlungsbehandlung dem Patienten helfen.
Spezifische diagnostische und therapeutische Verfahren
In der Urologischen Klinik des Klinikums Dortmund steht den Betroffenen mit einem Harnblasenkrebs ein spezialisiertes Expertenteam aus ärztlichen Mitarbeitern und Pflegepersonal zur Verfügung. Durch die enge Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen im Hause (Chirurgen, Strahlentherapeuten, Internisten, Röntgenärzten) und in Kooperation mit den niedergelassenen Ärzten kann ein standardisiertes aber gleichzeitig individuelles Diagnose- und Behandlungskonzept festgelegt und angeboten werden.
Das Spektrum an diagnostischen und therapeutischen Verfahren umfasst neben sämtlichen klassischen und erprobten Maßnahmen selbstverständlich auch neueste, durch kontinuierliche wissenschaftliche Forschungsergebnisse gewonnene, Methoden.
Zur Früherkennung von Harnblasentumoren wurde ein Verfahren entwickelt, die so genannte Photodynamische Diagnostik (PDD), das mittlerweile in vielen Ländern in Europa und in Nordamerika angewendet wird. Dieses Verfahren, das zusätzlich im Rahmen der klassischen Blasenspiegelung angewendet wird, ermöglicht durch eine spezifische Anfärbung von Harnblasentumoren mittels eines Farbstoffes der in die Harnblase eingebracht wird eine verbesserte Diagnostik von Harnblasentumoren, die im Bereich der Oberfläche der Harnblasenwand entstehen. Das Einbringen des Farbstoffes erfolgt durch einen dünnen Katheter über die Harnröhre und ist für den Patienten ungefährlich. So kann der Urologe im Rahmen der Blasenspiegelung ohne Zeitverlust frühzeitig kleinste Tumoren erkennen und entsprechend behandeln.
Gerade Tumoren, die aufgrund ihres flachen Wachstums (=Carcinoma in situ) oder ihrer geringen Größe leicht im Rahmen der klassischen Blasenspiegelung übersehen werden, können somit gefunden werden. Untersuchungen in mehreren großen urologischen Kliniken haben gezeigt, dass durch den zusätzlichen Einsatz dieser Methode eine vollständigere elektrische Abtragung von Harnblasentumoren möglich ist und somit das Risiko für das Widerauftreten eines erneuten Tumors deutlich gesenkt werden kann.
Zusätzlich zu dieser Spezialmethode wird in der Urologischen Klinik des Klinikums Dortmund der Urin von Patienten, bei denen der Verdacht auf das Vorliegen eines Harnblasenkrebse besteht, auf das Vorliegen von Tumorzellen oder Strukturen von Tumorzellen hin untersucht ("Urinzytologie").
Die meisten Patienten mit einem oberflächlichen Harnblasenkrebs haben erfreulicherweise eine sehr günstige Prognose. Allerdings kommt es in vielen Fällen nach ein paar Monaten oder Jahren erneut zum Auftreten solcher Gewächse in der Harnblase. Nach Durchführung einer elektrischen Abtragung oder einer Laserbehandlung im Rahmen der photodynamischen Diagnostik wird in der urologischen Klinik aus diesem Grunde in vielen Fällen noch am Operationstag ein Medikament in die Harnblase gespritzt, dass noch verstreute Tumorzellen abtöten soll (=Frühinstillation). Inwiefern diese Behandlung dann in Kooperation mit dem niedergelassenen Urologen im Rahmen eines individuellen Behandlungsplanes weitergeführt wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab.
Ist eine Erhaltung der Harnblase aufgrund eines Befalles der Muskulatur der Blasenwand oder des wiederholten Auftretens von aggressiven oberflächlichen Tumoren der Harnblase nicht möglich, bietet die Urologische Klinik des Klinkums Dortmund ihren Patienten das komplette Spektrum der Harnableitungen an. Neben der Harnableitung über ein ausgeschaltetes Stück Darm, dessen offenes Ende über die Bauchhaut nach außen geleitet wird (= Ileumconduit), der Anlage einer Harnableitung über den Enddarm (=Sigma-Rektum-Blase) werden vorzugsweise Ersatzblasen aus Darm (=Ileumneoblasen) mit Anschluss an die Harnröhre beim Mann oder der Frau angeboten.
In ausgewählten Fällen ist selbst eine Schonung der Gefäß-Nervenstrukturen im Becken, die beim Mann für die Erektionsfähigkeit notwendig sind, möglich. Sollte allerdings ein Vordringen des Tumors in die Harnröhre vorliegen, so muss diese operativ entfernt werden, so dass die Anlage einer Ersatzblase mit Abfluss über die Harnröhre nicht möglich ist. In diesen Fällen kann in der Urologischen Klinik, in Absprache mit dem Patienten und in Abwägung von Vor- und Nachteilen eine Ersatzblase im Unterbauch angelegt werden, die über einen Ablaufmechanismus im Bereich des Nabels entleert werden kann (= katherisierbarer Pouch).
Sollte aufgrund von allgemeinen Begleiterkrankungen oder auf speziellen Wunsch des Patienten eine Entfernung der Harnblase nicht in Frage kommen, so besteht in der Urologischen Klinik des Klinikums Dortmund, in Zusammenarbeit mit der Klinik für Strahlentherapie die Möglichkeit einer ausführlichen Beratung und Durchführung einer Bestrahlung der Harnblase, evtl. in Kombination mit der Gabe von Medikamenten (=Radiochemotherapie).