17.05.2017, 17.59 Uhr: Telefon im Kreißsaal, ein Notruf. „Ich bin noch nie so schnell gerannt“, erinnerte sich Linda Berthold, Hebamme in der <link>Geburtshilfe des Klinikums Dortmund. Gemeinsam mit der Frauenärztin Vanessa Speer eilt sie mit Handtüchern und Geburtsbesteck vor den Haupteingang des Klinikums, anschließend zwei Rolltreppen hinunter in den Schacht zur U-Bahn-Station „Städtische Kliniken“. Hier sehen beide, was sie in ihrem Leben sicher nicht mehr vergessen werden: Auf einer bloßen Sitzbank liegt eine 29-Jährige, Blut und Käseschmiere überall. In eine Strickjacke eingehüllt, ein Bündel Mensch. Ein gesunder Junge, die großen, dunklen Augen weit geöffnet. Hassan heißt er. 2960 g, 55 cm groß, 35 cm Kopfumfang. Putzmunter.
Die Dortmunderin Nesrine Al-Amin hatte ihr Kind mitten im Feierabend-Verkehr zur Welt gebracht, die Nabelschnur war noch nicht durchtrennt. Eine Passantin, Beate Madaus, die eigentlich gerade auf dem Weg zu einem Essen mit Freunden war, erlebte die Geburt. Sie war es auch, die Hilfe holen ließ und das Neugeborene in ihre Strickjacke einhüllte. „Am Anfang dachte ich noch, der jungen Frau wäre irgendwie eine Narbe geplatzt. Ihr Bauch war halt auch relativ klein. Aber dann sah ich schon das Köpfchen. Und auf einmal ging alles sehr schnell“, sagt Madaus.
Die Nabelschnur hatte sich um den Hals gelegt
Mein Kind kommt, habe sie noch von der Mutter gehört und plötzlich schaute Madaus, die eigentlich gelernte Hotelfachfrau ist und eine 13-jährige Tochter hat, auch schon in zwei pechschwarze, große Kulleraugen. „Die Nabelschnur hatte sich um den Hals gelegt, das habe ich rasch noch korrigieren können. Aber dann war der kleine Junge auch schon komplett draußen“, sagt Madaus. Als dann Hebamme Linda Berthold und Ärztin Vanessa Speer im U-Bahn-Schacht keine fünf Minuten später eintrafen und die weitere Geburt übernahmen, fiel Beate Madaus ein Stein vom Herzen: „Ich hätte mich, glaube ich, nicht getraut, die Nabelschnur zu durchtrennen.“
Der Druck im Unterleib wurde größer
Für Nesrine Al-Amin ist es bereits das vierte Kind. Der errechnete Geburtstermin wäre eigentlich am 24.5., also genau eine Woche später, gewesen. Sie war mit ihrem Mann und zwei ihrer drei Kinder am Mittwoch in der Stadt, ein wenig spazieren. Doch plötzlich merkte sie, dass der Druck im Unterleib größer wurde. Die Familie stieg an der Reinoldi-Kirche in die U-Bahn U 42, Richtung Barop. Sie kam allerdings nur zwei Stationen weit, die Wehen waren zu extrem. An der Haltestelle „Städtische Kliniken“ musste die junge Frau raus, ihr Mann, der die beiden Kinder (6 und 2 Jahre) an den Händen hielt, war etwas ratlos: einerseits auf die Kinder aufpassen, andererseits seiner Frau helfen. Was tun? Die Mutter setzte sich auf die Wartebank, wimmerte leise.
Passantin half dem kleinen Jungen auf die Welt
„Ich solchen Momenten denkst Du nicht großartig nach, da funktionierst Du irgendwie“, erinnerte sich Beate Madaus, die das Wimmern hörte. Sie bat den Ehemann der Gebärenden, Hilfe zu holen. Die Kinder wurden derweilen von zwei Seniorinnen betreut, ebenfalls Passantinnen. Eine dritte ältere Dame streichelte der Mutter die Hand, während Beate Madaus am anderen Ende der Sitzbank dem kleinen Jungen auf die Welt half. „Das ist ganz, ganz toll, dass sich die Ersthelferinnen da so sehr engagiert haben“, erklärte Hebamme Linda Berthold.
Am Tag nach der Geburt besuchte Beate Madaus selbstverständlich Nesrine Al-Amin und den kleinen Hasan auf der Wöchnerinnen-Station des Klinikums Dortmund. Sogar Geschenke brachte die für Mutter und Sohn mit – dabei hatte sie da schon längst das größte Geschenk gemacht,, das man einem Mitmenschen machen kann: Sie half, als Hilfe nötig war.
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