Ein Alkoholiker als Chef: 50 Jahre Anonyme Alkoholiker

Ein Alkoholiker als Chef: 50 Jahre Anonyme Alkoholiker

Am 10. September 2016 feiert die Gemeinschaft der Anonymen Alkoholiker in Dortmund ihr 50-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass hier die Geschichte eines Betroffenen:

Wenn ein Neuer in die Runde kommt, heißt es: geduldig zuzuhören, sofern er das Bedürfnis hat zu reden. Die „Älteren“ erzählen von ihren Geschichten und der „Neue“ fühlt sich zumeist schnell verstanden, denn alle in dem Raum sind naturgemäß „Experten“ auf dem Gebiet des Alkoholismus. Es ist ein großer Schritt, das erste Mal zu einem AA-Meeting zu gehen, da natürlich zunächst kein Alkoholiker weiß, was ihn denn erwartet. „Ein Alkoholiker hat mit dem Zuhören oft ein Problem, er unterbricht gerne und meint häufig, es müsse sich alles um ihn drehen. Erst bei AA habe ich eine neue, sehr angenehme Gesprächskultur kennengelernt", sagt Willi, der nicht so heißt, wie wir ihn in dieser Geschichte nennen. Aber das, was er erzählt, möchte er öffentlich nicht mit seinem richtigen Namen in Verbindung sehen. Und man bleibt hier ja eben auch gern unbekannt – bei den Anonymen Alkoholikern (AA) in Dortmund.

Am 10. September 2016 feiert die Gemeinschaft der Anonymen Alkoholiker in Dortmund ihr 50-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass hier die Geschichte eines Betroffenen:

Wenn ein Neuer in die Runde kommt, heißt es: geduldig zuzuhören, sofern er das Bedürfnis hat zu reden. Die „Älteren" erzählen von ihren Geschichten und der „Neue" fühlt sich zumeist schnell verstanden, denn alle in dem Raum sind naturgemäß „Experten" auf dem Gebiet des Alkoholismus. Es ist ein großer Schritt, das erste Mal zu einem AA-Meeting zu gehen, da natürlich zunächst kein Alkoholiker weiß, was ihn denn erwartet. „Ein Alkoholiker hat mit dem Zuhören oft ein Problem, er unterbricht gerne und meint häufig, es müsse sich alles um ihn drehen. Erst bei AA habe ich eine neue, sehr angenehme Gesprächskultur kennengelernt", sagt Willi, der nicht so heißt, wie wir ihn in dieser Geschichte nennen. Aber das, was er erzählt, möchte er öffentlich nicht mit seinem richtigen Namen in Verbindung sehen. Und man bleibt hier ja eben auch gern unbekannt – bei den <link>Anonymen Alkoholikern (AA) in Dortmund.

Willi ist ein erfolgreicher Geschäftsmann mit eigener Firma, sogar promoviert. Eine Branche mit Zukunft, ein Mann mit Vergangenheit. Willi ist verheiratet, hat zwei Kinder. Man könnte sagen: Er hat es im Leben geschafft. Fliegt beruflich viel ins Ausland, hält Vorträge, fährt noble Autos, liebte teuren Schnaps, Champagner und Rotweine, später dann auch Fusel und Jägermeister von der Bude. „Anfangs habe ich es mir oft schön geredet, dass ich ja nur guten Stoff trinke. Ich habe mir gesagt: Du stehst ja noch nicht an der Trinkhalle und säufst. Du bist also kein Säufer. Dabei sah es in mir oft genauso aus. Als Alki bist Du eben eine arme Sau, da nutzt Dir auch kein Haus und ein dickes Auto."

2,5 Mio. Alkoholiker in Deutschland, 10 Mio. betroffene Angehörige

Willi hat eine regelrechte Säuferkarriere hinter sich. Mit 14 erlebt er zum ersten Mal einen Vollrausch. Nach dem Abitur geht der „erste Weg direkt in die Kneipe". „In den 70er Jahren war Alkohol ja auch am Arbeitsplatz noch absolut normal", meint Willi. Und das ist es wohl auch, was Alkohol so gefährlich macht: Trinken ist gesellschaftlich akzeptiert. So schleicht sich der Alkohol in Willis Leben. Wissenschaftler vermuten allgemein eine genetische Veranlagung für Alkoholismus. Kohorten-Studien haben auch ermittelt, dass Alkoholismus und Größenwahn sehr nahe bei einander liegen. Die Einstellung „Ich schaffe das alles schon" wird übertrieben, ein Misserfolg in Hochprozentigem ertränkt. Vorsichtige Schätzungen gehen davon aus, dass 2,5 Millionen Menschen in Deutschland alkoholabhängig sind; die Zahl der Mitbetroffenen und mitleidenden Angehörigen wird auf rund zehn Millionen beziffert. Willi glaubt, dass die Dunkelziffer der Alkoholabhängigen weitaus höher liegt.

„Ich brauchte fünf Cognacs, damit meine Hand nicht zittert"

Mit dem Erfolg in seinem Job wächst seinerzeit der Druck, Willi muss funktionieren. Ein Arzt sagt ihm damals: „Sie finden in Ihrem Leben doch überhaupt nicht mehr statt." Und richtig: Willi spürt sich nicht mehr. Als Chef führt Willi jetzt Menschen. Menschen, die natürlich tuscheln, wenn er wieder drauf ist. Aber wer sagt seinem Chef schon, dass er ein Alkoholproblem hat? Willi greift zur Flasche, weil er beruflich wie privat von Menschen enttäuscht wird. „Es gab Situationen, da brauchte ich fünf Cognac, damit meine Hand nicht mehr zittert", sagt er. „Ich bin nachts aufgewacht, war klatschnass und brauchte erst mal eine halbe Flasche Gin, um wieder einzuschlafen. Aber ich merkte nicht, dass ich längst abhängig war." – Wer sollte es ihm sagen?

„Man wundert sich, was der Organismus so mitmacht."

Seine Frau, die wie seine Kinder viel mit ihm ausgehalten hat, schlägt ihm den Besuch bei den AA in Dortmund vor. Er will davon zunächst nichts wissen, doch sein gesundheitlicher Zustand ist alarmierend. Sein Blutdruck ist nicht mehr einstellbar, sein Cholesterin steigt, die Arterien drohen zu verstopfen. Auch hat er plötzlich Diabetes, obwohl er damit vorher nie Probleme hatte. „Ich habe wenig auf mich geachtet, und man wundert sich, was der Organismus so mitmacht."

„Allein schaffst Du es nicht."

Erst nach mehreren Entzügen in Kliniken, genauso vielen Rückfällen, welche immer schlimmer wurden, und nach zehn Anläufen vor der AA-Tür schafft Willi es, eines Tages in der Dudenstraße 4 auf die Klingel zu drücken. Die Tür der AA öffnet sich, er hört den Satz „Gut, dass Du kommst" und wundert sich. Fremde schauen ihn an, begrüßen ihn. „Mir war, als redeten sie über mich, dabei hat jeder von sich erzählt", erinnert sich Willi. Er erfährt, dass er nicht allein ist. „Du schaffst es nur allein aus dem Alkohol, heißt es immer. Aber so blöd das klingen mag: Allein schaffst Du es nicht." Deshalb sei die Gemeinschaft so wichtig, anonym, Seit an Seit auf Stühlen. Trotz seines stressigen Berufes nimmt Willi sich seither die Zeit und geht zu den Treffen, nicht immer in Dortmund. Die AA sind <link https: www.anonyme-alkoholiker.de>weltweit organisiert.

Es gibt keine Zwänge, keine Vorschriften bei den AA

Der inzwischen über 60-Jährige ist nun schon mehrere Jahre trocken; bei AA sagt man üblicherweise: „Ich bin nun schon einige 24 Stunden trocken und glücklich darüber". Die Teilnehmer der Gruppe nehmen sich nämlich immer nur vor: nur für heute, nur heute rühre ich keinen Alkohol an", sagt Willi. Schließlich beginnt die Reise mit dem ersten Schritt – und dann eben Schritt für Schritt. Es gebe keine Zwänge, keine Vorschriften bei den AA. Das mag Willi. Natürlich sei die Versuchung da, oft ist der Alkohol nur eine Armlänge entfernt. Auf Partys, bei Empfängen. „Aber es gibt auch so einen Satz bei den AA: Denke es immer zu Ende! Ist es das wert?", fragt Willi.

„Gib die Botschaft weiter."

Inzwischen ist Willi sogar froh, Alkoholiker zu sein. „Ich hatte großes Glück, dass mir meine Familie geblieben ist. Ich nehme heute vieles im Leben bewusster war, was einem sonst so vermeintlich selbstverständlich vorkommt, vor allem Beziehungen zu Menschen aus meinem Umfeld", sagt Willi. „Früher war es für mich undenkbar, dass ich nie wieder Alkohol trinke. Inzwischen ist es sehr wahrscheinlich geworden. Doch ich kann es nicht ausschließen, dass ich nicht rückfällig werde." Aber eines hat Willi bei den AA in jedem Fall gelernt – und deshalb war er auch bereit, seine Geschichte uns zu erzählen: „Gib Deine Botschaft weiter!"

Öffentliches Informationsmeeting anlässlich des 50-jährigen Bestehens von AA und Al-Anon in Dortmund

10.09.2016 ab 14.00 Uhr
Gemeindehaus der Nicolaikirche
Zugang: Kreuzstraße 66 oder Lindemannstraße/Wittekindstraße

Darüberhinaus regelmäßige Treffen:

Dortmund/Mitte · Kontaktstelle · Dudenstraße 4

Montag bis Freitag, 20:00 – offenes Meeting

Freitag 20:00 – english speaking group

Samstag 15:30 – Frauenmeeting (nur jeden 1. Samstag im Monat)

18:00 – offenes Meeting

Sonntag 10:30 – offenes Meeting

20:00 – offenes Meeting

Dortmund/Aplerbeck · Ev. Kirchengemeinde Aplerbeck · Weiße-Ewald-Straße 57

Montag 20:00 – Frauenmeeting

Dortmund/Hörde · Stadtteilbüro Hörde · Niederhofener Straße 52

Mittwoch 19:30 – offenes Meeting (rauchfrei)

Dortmund/Aplerbeck · Ev. Kirchengemeinde Aplerbeck · Ruinenstraße 37

Donnerstag 20:00 – offenes Meeting

Pressekontakt

Marc Raschke
Leiter der Unternehmenskommunikation

Klinikum Dortmund gGmbH
Beurhausstraße 40
44137 Dortmund

Telefon +49 (0)231 953 21200
Mobil +49 (0)174 16 65 987
Fax +49 (0)231 953 98 21270
<link>marc.raschke@klinikumdo.de

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