Davor graut es jedem Patienten, der ein Kunstgelenk an Knie oder Hüfte eingesetzt bekommen hat: Keime nisten sich ein und sorgen am Implantat für eine derart heftige Infektion, dass die Prothese ausgetauscht werden muss. Bundesweit kommt es in zirka 0,5 bis 1,5 Prozent aller Gelenkersatz-Operationen zu einer Infektion. Allein bei rund 300.000 Hüft-Operationen pro Jahr sind das also etwa 1500 bis 4500 Patienten. Hinzu kommen bei jährlich etwa 150.000 Knie-Operation noch mal weitere 750 bis 2250 Patienten. „Bei den Erregern handelt es sich aber meist nicht um die allseits bekannten MRSA-Keime. Häufig sind es banale Hautkeime, die eine Infektion verursachen. Aber auch ein entzündeter Zahn oder eiternde Rachenmandeln können die Ursache sein“, erklärt Prof. Dr. Christian Lüring, Direktor der Orthopädischen Klinik im Klinikum Dortmund. Er hat sich in den letzten 15 Jahren intensiv mit dem Austausch von einmal eingesetzten Prothesen beschäftigt („Revisions-Endoprothetik“) und dazu u. a. an den Unikliniken in Regensburg, Hannover und Aachen geforscht.
Bei einer eitrigen Entzündung (etwa am Zahn oder an den Mandeln) vermehren sich Keime, die normalerweise vom Immunsystem des Körpers bekämpft werden können. Ist jedoch dieses System geschwächt, können die Keime über das Blut bis zum Kunstgelenk gespült werden. Dort siedeln sie sich insbesondere an den den Implantaten an und richten ihr Unheil an. Dieser Prozess dauert mitunter etwas und verursacht sehr unterschiedlich Beschwerden. „Anfangs denken viele Betroffenen deshalb nicht gleich an eine Entzündung, weshalb es meist erst verspätet, manchmal erst 2-4 Jahre nach dem ursprünglichen Eingriff zu einer Wechsel-Operation kommt“, sagt Prof. Lüring. Doch am Austausch des Gelenkersatzes führt in diesen Fällen kein Weg vorbei, da die bloße Gabe eines Antibiotikums bei dieser Art von Entzündung nicht ausreicht. „Die Erreger bilden nämlich typischerweise einen Biofilm auf der Oberfläche des Implantats im Körper und schützen sich so vor dem Antibiotikum.“
Im Rahmen des ersten Teils der Wechsel-Operation wird das infizierte Kunstgelenk vom Knochen abgetrennt und zunächst durch einen antibiotika-haltigen Knochenzement ersetzt. In den Tagen und Wochen danach kontrollieren die Mediziner u.a. durch Bluttests und Punktionen, ob die Entzündung im Knochen vollständig abgeklungen ist. Danach wird in einer zweiten Operation der Knochenzement entfernt und eine neue Prothese eingesetzt. „Wir gehen hier in Dortmund bei derartigen Wechsel-Operationen nach einem klar definierten Fahrplan vor, den ich im Rahmen meiner wissenschaftlichen Forschung entwickelt und der an vielen Gelenkzentren als Standard verwandt wird“, sagt Prof. Lüring. Dieser Fahrplan ist u. a. davon abhängig, um welchen Keim es sich handelt, wie lange die Infektion bereits andauert und wie fit der Patient ist.
Bleibt ein Patient von einer Infektion zu diesem relativ frühen Zeitpunkt verschont, gibt es statistisch gesehen zirka 12-15 Jahren nach dem ersten Einbau eines Kunstgelenks noch mal eine weitere Häufung der Wechsel-Operationen. Dann liegt es aber meistens an der Abnutzung des Kunstgelenks. „Das ist wie bei einem Autoreifen: Irgendwann ist das Profil unter der täglichen Belastung abgefahren“, sagt Prof. Lüring. Kommt es dabei zum Abrieb im Gelenk, löst dies eine Fremdkörper-Reaktion aus. „Der Körper will über diese Entzündung, die ohne Bakterien abläuft den entstandenen Abrieb abtransportieren, doch ein Gelenk wie zum Beispiel das Knie ist ja ein geschlossenes System, ein Abfluss ist nicht möglich“, sagt Prof. Lüring. Auch hier bleibt dann nur der Austausch der Prothese.
„Ich empfehle, spätestens ab dem 10. Jahr nach einer Prothesen-Implantation einmal jährlich zur Kontrolle zu kommen“, sagt Prof. Lüring. In erster Linie gehe es dabei um einen Check der Stabilität des Gelenks. „So können wir frühzeitig Veränderungen feststellen und entsprechend reagieren.“