Prof. Dr. Nashan: Schnell entstehen nach dem Kontakt mit den Brennhaaren der Raupen rote Punkte, kleine Papeln, die sich vergrößern und beim Kratzen anschwellen können. Häufig sind erste Spuren der Brennhaare im Nacken und den Ellenbeugen zu beobachten. Besonders an nicht bekleideten Körperstellen können wenige bis immens viele Läsionen entstehen. Das Bild kann einer Nesselsucht (Urticaria) gleichen. Und wenn die Patienten anfänglich auch noch an Mückenstiche dachten, erschreckt sie meistens die Anzahl und Aussaat; denn auch durch Kleidungsöffnungen oder durch draußen abgelegte und dann wieder angezogene Kleidung kommen die Haare an andere Körperstellen und verursachen dort ähnliche Hautreaktionen. Der Mensch kann von insektenstichähnlichen Hautläsionen übersät sein. Kennzeichnend ist der quälende Juckreiz, der durch scheuern und kratzen noch stärker wird.
PD Dr. Böker: Bei Kontakt mit dem Auge kann es zu einer akuten Bindehautentzündung mit Rötung, Lichtscheu und Schwellung der Augenlider kommen. Bei Befall der Hornhaut des Auges kann sich eine Hornhautentzündung entwickeln. Bei Augenbeteiligung sollte ein Augenarzt zur Spaltlampenuntersuchung hinzugezogen werden.
PD. Dr. Schaaf: Eingeatmete Brennhaare können zu einer Reizung der oberen Atemwege führen. Schmerzhafter Husten wie bei einer Bronchitis entsteht, und bei Asthmatikern können Asthmaanfälle ausgelöst werden. Länger dauernde Entzündungen der Atemwege sind mit Lungenfachärzten zu besprechen.
Ursache: Die beschriebenen Reaktionen wie auch Hautveränderungen sind die Reaktion auf die mit einem kleinen Widerhaken versehenen Brennhaare, welche im Kontakt zunächst nur toxisch-irritativ wirken. Das aus den Brennhaaren in eingebracht Raupengift (Thaumetopoein) führt zur Ausschüttung von Histamin und weiteren Signalstoffen, die eine Entzündung auslösen und verstärken. Unbehandelt dauern Hautveränderungen je nach Empfindlichkeit der betroffenen Person von 2 Tagen bis zu 2 Wochen an.
Inzwischen konnten die Eiweiße aus den Brennhaaren charakterisiert werden. Eine Allergie auf diese Eiweiße ist selten, aber möglich. Eine beweisende Testung ist nicht standardisiert und allgemein verfügbar. Aber eine Schockreaktion (Anaphylaxie) im Kontakt mit Eichenprozessionsspinnerraupen bedarf einer weiteren Abklärung in entsprechenden Fachabteilungen wie auch der Versorgung des Patienten mit einem Anaphylaxie-Notfallset. Diese allergische Reaktion ist weitaus dramatischer als die allseits bekannte und vielfach anzutreffende toxisch-irritative Dermatitis.
Vorgehen bei der gängigen Raupendermatitis:
- Möglichst die Haut nicht mechanisch bearbeiten, sondern duschen, um die Haare los zu werden; ggfs. kann auch ein Klebeband/Tesafilm zur Hilfe genommen werden.
- Nicht vergessen die Haare mit zu waschen.
- Nicht mit den Schuhen die Raupenhaare im Haus herumtragen.
- Möglicherweise kontaminierte Kleidung waschen. Haustiere können auch mögliche Überträger sein.
- Eine Behandlung des Juckreizes mit Menthol-haltigen oder Polidocanol-haltigen Externa ist möglich. Kühlen der Haut tut gut.
- Eine Besserung des Hautbefundes ist durch eine äußerliche Kortisonbehandlung zu erzielen.
- Die Nachtruhe lässt sich durch die Einnahme von Antihistaminika zumeist wieder herstellen.
- Bei Befundzunahme oder zunehmende Beschwerden ist ein Arzt aufzusuchen, um ggfs. eine innerliche Cortisontherapie zu erhalten oder bei einer aufgepfropften Infektion ein Antibiotikum.
Empfehlungen: Betrachten Sie, bevor Sie sich zum Sonnenbaden niederlassen, die Eichen, aber auch Buchen, besonders an Ihrer Südseite hinsichtlich der Raupenprozession oder Raupenversammlungen. Fressspuren sind bis auf das stärkere Gerippe aufgefressene junge Blätter. Meiden Sie betroffene Waldgebiete. Achten Sie beim Picknick, Camping auf Warnhinweise, auch die Gartenarbeit muss dann manchmal warten. Für eine mögliche Bekämpfung informieren Sie zuständige Behörden in den Gemeinde- oder Stadtverwaltungen oder auch den Revierförster.
Referenzen:
Rahlenbeck S, Utikal J „Raupen mit reizenden Brennhaaren“ Dt. Ärzteblatt 2017;896-898.
Seits AT, Reschke R, Simon JC, Treudler R „ Lepidopterismus – Eichenprozessionsspinnerdermatitis – vom Seltenen Allergen zur sich ausbreitenden Erkrankung „ Allergologie 2019; 79-82.
www.lwf.bayern.de/mam/cms04/service/dateien/mb15_eichenprozessionsspinner.pdf