Rückblick: Im November 2011 hatte Ingo Winkler einige Tage nach einem 63 Kilometer langen Lauf ein Engegefühl in der Brust. Weil er selbst als OP-Pfleger in der Herz- und Thorax-Chirurgie in Düsseldorf arbeitet, wusste er um dieses Signal seines Körpers. Und richtig: Per Katheter am Herzen stellten Mediziner bei ihm fest, dass er eine Engstelle an einem großen, blutversorgenden Gefäß hatte. „Ab da war mir klar, dass da was gemacht werden muss: entweder ein kleiner Stent, der die Engstelle wieder weitet und abstützt, oder eben Bypass“, erinnert sich Winkler.
Leider lag die Engstelle am Herzen so ungünstig, nämlich an einer „Gabelung“ bzw. Abzweigung des Gefäßes, dass ein Stent keine gute Lösung war. „Hätten die Operateure da einen Stent gesetzt, hätte er auf das unmittelbar danebenliegende Gefäß gedrückt. Da hätte ich also nichts gewonnen“, sagt der gebürtige Dortmunder. Um die Bypässe legen zu können, öffnete Prof. Albert dem damals 39-Jährigen das Brustbein und operierte ohne Herz-Lungen-Maschine am frei liegenden Herzen. „Inzwischen würde ich so einen Eingriff per kleinem Schnitt an der Seite durch die Freiräume der Rippen machen“, erklärt der Mediziner, „aber damals hatte ich nur 1-fach-Bypässe über den minimal-invasiven Zugang durchgeführt. Mittlerweise ist bei uns der minimal-invasive Zugang auch für Mehrfach-Bypässe erprobt und routiniert.“ Der Vorteil des „Schlüsselloch“-Zugangs ist, dass das Brustbein ganz bleibt, also nicht langwierig nach dem Eingriff verheilen muss.
Die OP war am 15. November 2011, die anschließende Reha ging bis zum 31. Dezember. Das Training begann Winkler unmittelbar danach – und siehe da: Am 15. März 2012 stand er für den Marathon an der Startlinie und meisterte ihn in einer Zeit von 3 Stunden 34 Minuten. „Ich habe auf meinen Körper gehört. Mit dem Herzen ist man als Sportler eh sehr eng verbunden. Und wenn man diesen Hohlmuskel gut trainiert, ist er dein bester Freund. Er kann aber auch zum Feind werden“, so Winkler.
Prof. Albert, der sehr großen Wert auf die Nachbetreuung seiner Patient:innen legt, hatte ihm zugesichert, dass der Marathon kein Problem sei. „Ich wusste, dass es dem Patienten sehr wichtig ist. Und entsprechend haben wir behandelt. Das lässt sich alles auf die individuellen Lebensgewohnheiten eines Menschen abstimmen“, sagt Prof. Albert. Die Wissenschaft empfehle grundsätzlich, dass, wenn gewisse Voraussetzungen gegeben sind, Sport und sogar Leistungssport wieder machbar sind. Der Mediziner bemängelt zugleich, dass Patient:innen oft wenig Mut gemacht wird. „Die Patienten sind ja an sich schon durch die Erkrankung traumatisiert. Und dann treffen sie auch noch auf Menschen, die sie nur warnen und ihnen nichts mehr zutrauen.“