Sie hatte sich mit ihrem Schicksal bereits abgefunden, Schmerzen gehörten seit ihrer Geburt zu ihrem Leben. Ihr angeborenes Hüftleiden zwang die heute 15-Jährige zu einem sehr mühevollen Gang, da der Hüftkopf verrenkt und verdreht in der deformierten und zu steilen Hüftpfanne lag (Hüftdysplasie). Die Kräfte, die auf das Gelenk wirkten, waren enorm, schließlich lastet beim Gehen das Dreifache des Körpergewichts auf einem Hüftkopf. Die einzige Lösung war, die Hüfte neu auszurichten. In ihrer Heimat Jerusalem wagten sich die Mediziner nicht an diesen Eingriff, den weltweit nur wenige Spezialisten beherrschen. Denn während der Operation müssen die Mediziner das Becken mehrmals durchtrennen, die Stellung der Hüftpfanne korrigieren und neu verschrauben. – Die Orthopäden im Klinikum Dortmund haben einen Weltruf.
Ein Arzt aus Schwerte vermittelte letztlich den Kontakt. Die Kosten von 7000 Euro übernahm die Organisation „Löwenherz“ (Foto unten zeigt den Besuch von "Löwenherz" bei Bernadette) – so wie schon bei einigen anderen Kindern, die im Klinikum Dortmund behandelt wurden. „Das ist ein außerordentliches Engagement, für das wir im Namen der jungen Patienten gar nicht dankbar genug sein können“, lobte Prof. Dr. Bernd-Dietrich Katthagen, Direktor der Orthopädie im Klinikum Dortmund. Der Betrag deckt den Klinikaufwand, die Arbeit des Operateurs ist letztlich ehrenamtlich.
Ein Arzt aus dem Orthopäden-Team konnte arabisch und übersetzte
Doch mit der Kostenübernahme waren die Herausforderungen im Fall von Bernadette nicht vom Tisch. „Von wem kriegen wir eigentlich die Einwilligung, dass wir die Operation vornehmen dürfen“, fragte sich Prof. Katthagen seinerzeit. Bernadette ist schließlich minderjährig und kann kein Deutsch. Immerhin konnte einer der Ärzte aus Katthagens Team arabisch. Über einige Ecken gab es dann die Genehmigung des Vaters, der selbstverständlich in Sorge war. „Man muss sich nur mal vorstellen, wir würden unsere Kinder mit 15 Jahren nach Nordafrika oder Amerika schicken, damit sie dort operiert werden“, sagt Prof. Katthagen.
Die Beckenpfanne wurde dreidimensional gedreht
Die OP selbst dauerte dann rund vier Stunden; weltweit gibt es kein anderes Krankenhaus, das diesen Eingriff auch nur annähernd mit so viel Erfahrung vornehmen kann. Becken, Oberschenkelknochen, Scham- und Sitzbein wurden durchsägt und neu zusammengesetzt. Währenddessen wurde die Beckenpfanne dreidimensional gedreht, bis sie im optimalen Winkel zum Hüftkopf am Oberschenkelknochen stand. Am Ende war die Hüfte um 30 Grad gedreht. „Die Gefahr dabei ist, dass durch das Ausjustieren die Nervenbahnen unter großer Spannung stehen“, sagt Prof. Katthagen. Die Hauptgefäße, die mit den Knochen verbunden sind und die Blutversorgung sichern, wurden nicht in Mitleidenschaft gezogen. „Wir operieren genau an ihnen vorbei“, sagt Prof. Katthagen.
Die Heilungsfortschritte sind bei einer 15-Jährigen beachtlich
Schon eine Woche nach dem Eingriff konnte Bernadette bereits auf Krücken aus dem Bett aufstehen und erste Gehversuche unternehmen. „Als 15-Jährige hat sie richtig gute Chancen, die Heilungsfortschritte in diesem Alter sind beachtlich“, sagt Prof. Katthagen. Der Heilprozess wird dennoch insgesamt gut ein Vierteljahr dauern, Bernadette muss wieder komplett neu laufen lernen. „Wir wollen ja nicht einfach nur operieren und sie danach wieder nach Jerusalem zurückschicken“, sagt Prof. Katthagen. Deshalb war es ihm wichtig, dass Bernadette in der Nähe des Klinikums bleibt, um die Fortschritte zu begleiten. Die Teenagerin kam bei einer evangelischen Pfarrerin in Altena unter, die extra vorübergehend ihre Wohnung hat umbauen lassen, damit sie die junge Frau aufnehmen kann. Kontakt in die Heimat hat Bernadette übrigens in all dieser Zeit stets gehabt, auch und gerade zu ihren Freunden. Es gibt ja schließlich Facebook & Co.
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