Sahnesoße, Milchshakes und reichlich Gebäck – beim Thema Mangelernährung gilt nichts von dem, was man über gesunde Ernährung gelernt hat. Das machte Prof. Dr. Thomas Reinbold, Direktor der Klinik für Geriatrie am Klinikum Dortmund, bei seinem Vortrag zum Thema „Mangelernährung im Alter – ein relevantes Problem“ am Mittwoch, 10.4., deutlich. Für Betroffene sind eiweißreiche Kalorienbomben genau das Richtige, erfuhren die Gäste des gut besuchten mediTALK, der monatlichen Veranstaltungsreihe zu medizinischen Themen im Klinikum.
Wie groß das Problem ist, zeigte Prof. Reinbold anhand erschreckender Zahlen: Jede vierte Patientin bzw. Patient im Krankenhaus leidet unter krankheitsbedingter Mangelernährung. Die Dortmunder Fachklinik für Geriatrie macht seit 2019 als eine von sehr wenigen Kliniken in Deutschland ein umfassendes Screening bei jeder Neuaufnahme. Es zeigt sich: Dort sind 60 Prozent betroffen.
Woran lässt sich aber ohne professionelle Untersuchung erkennen, ob eine Mangelernährung vorliegt? Das wollten die mediTALK-Besucher wissen, von denen viele die Gelegenheit nutzten, ihre Körperzusammensetzung vor Ort durchmessen zu lassen. „Die Symptome sind häufig sehr unspezifisch“, erklärte Prof. Reinbold. Das können neben auffälliger Magerkeit Muskelschwäche, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen oder Kreislaufprobleme sein.
Die Ursachen sind ebenso vielfältig. Neurologische Erkrankungen wie Morbus Parkinson oder Schlaganfall können zu Schluckstörungen führen, das Essen wird aufgrund von Appetitlosigkeit oder Probleme mit den Zähnen bzw. Prothesen eingestellt, Demenz lässt Menschen das Essen vergessen oder der Kühlschrank bleibt wegen Immobilität und Altersarmut leer.
Die Auswirkungen sind erheblich und teuer für das Gesundheitssystem. Denn mangelernährte Seniorinnen und Senioren entwickeln Herzrhythmusstörungen und Atemprobleme bis hin zur Lungenentzündung, sie stürzen leicht und kommen oftmals nicht wieder richtig auf die Beine. Wunden heilen schlechter, die Komplikationsrate ist erhöht, die Immunabwehr gestört.
Prof. Reinbold stellte den ganzheitlichen Ansatz seiner Klinik vor, in der Therapeuten aus Ernährungsmedizin, Logopädie und Physiotherapie zusammenarbeiten. Neben individuellen Ernährungsplänen mit appetitlich angerichtetem püriertem Essen aus dem eigenen Haus hilft vielen auch spezielle Trinknahrung, die beim mediTALK vorgestellt wurde und sogar verordnet werden kann.
Aber auch für zu Hause gibt es Lösungen. Diätassistentin Lina Niermann gab Tipps für energiereiche Kost: Kochen mit reichlich Sahne, Butter und Crème fraiche, kalorienreiche Getränke wie Milchshakes und Kakao, Kuchen, Gebäck, Toast – also all das, was junge Menschen vermeiden sollten. „Bedenken Sie: Gesunde Ernährung und körperliche Aktivität sind die besten Anti-Aging-Rezepte“, gab Prof. Reinbold seinen Gästen mit auf den Weg. „Dann kann auch Altwerden schön sein.“
Beim nächsten mediTALK geht es um „Krebs durch Papillomviren – eine Epidemie, die zu Kopf-Hals-Tumoren führt“ mit Prof. Dr. Claus Wittekind.