Musik am Inkubator: Per Monochord-Saiten den Herzschlag eines Frühchens beruhigen

Monotones Piepen, laute Alarm-Töne, permanente Umgebungsgeräusche: Intensivstationen in Krankenhäusern lösen bei vielen Menschen Unbehagen und Ängste aus. Auch zu früh geborene Säuglinge, die zur Stabilisierung ihrer Lebensfunktionen in einem Inkubator behandelt werden müssen, sind dem hohen Geräuschpegel des hektischen Klinikalltags ständig ausgesetzt. Das erzeugt zusätzlich Stress, auch für die besorgten Eltern, die um das Leben ihrer wenige Gramm leichten, hochsensiblen Babys bangen. Um für eine beruhigende Atmosphäre und damit für eine gesteigerte Überlebensqualität der Frühchen zu sorgen, greift das Klinikum Dortmund seit über einem Jahr auf spezielle Methoden aus der Musiktherapie zurück. Zum Einsatz kommen etwa reine Klanginstrumente wie Monochord und Sansula – mit erstaunlichen Folgen für die weitere Entwicklung der Frühgeborenen.

Obwohl eine Verbesserung der Sauerstoffsättigung, kognitiven Fähigkeiten sowie des Saug-/ Schluckverhaltens wissenschaftlich nachgewiesen werden kann, sind musiktherapeutische Methoden in der Neugeborenenmedizin – in Fachkreisen auch Neonatologie genannt – noch nicht sehr weit verbreitet. Das Klinikum Dortmund bietet seit Mai 2013 mit der Musiktherapeutin Martina Pohl ein solches Angebot mit zwei besonderen musikalischen Instrumenten an: dem Monochord und der Sansula. Mit seinen gleichlangen, über einen länglichen Holzkasten gespannten 21 Saiten hat das Monochord nur zwei Töne in jeweils hoher und tiefer Lage. Hingegen ist die oval geformte Sansula, auch „Daumenklavier“ genannt, mit einer Zellulose-Membran ummantelt, auf der unterschiedlich klingende Metallzungen in einer Reihe angebracht sind. Beide Instrumente unterscheiden sich außerdem in ihrem harfen- bzw. glockenspielähnlichen Klang (Audiobeispiele für <link file:2138>Monochord</link> und <link file:2139>Sansula</link>).

„Das Besondere an Monochord und Sansula ist, dass man mit ihnen nicht ‚falsch’ spielen kann, also immer harmonisch klingende Melodien erzeugt, ganz gleich welche Töne angespielt werden“, erläutert die junge Diplom-Pädagogin, die auch Klinische Musiktherapie in Münster studiert hat. „Hinzu kommt die raumgreifende Eigenschaft beider Instrumente, die Klänge hallen also lange nach.“ Dadurch entsteht ein Kopplungseffekt, bei dem sich Herzschlag und Puls des Zuhörers an dem bestehenden Rhythmus anpassen. Ergänzt wird die Therapie durch die Stimme der Musiktherapeutin, die die Melodien mitsummt. Der Gesamteffekt: Stress wird abgebaut, man beruhigt sich. Martina Pohl fügt hinzu: „Auf der neonatologischen Intensivstation haben wir beobachtet, dass die Frühchen noch schneller zur Ruhe kommen, sobald ihre Eltern in der Nähe sind und sich entspannen – aus dem Grund integriere ich Vater und Mutter so gut es geht in die Therapie mit ein. Nicht zuletzt, um ihnen selbst was Gutes zu tun sowie sie von ihren Sorgen kurzzeitig abzulenken.“

Neben entwicklungsfördernden Effekten für Frühgeborene und Entspannungsmöglichkeiten für die Eltern können sich die improvisierten fünf bis 15 Minuten langen Stücke auf dem Monochord oder der Sansula positiv auf die Eltern-Kind-Beziehung auswirken. „Die Babys werden geradezu abrupt dem Mutterleib entrissen und erleben von da an im Inkubator Einsamkeit und Isolation“, so Martina Pohl. „Mit meiner Musik möchte ich einen musikalischen Rahmen schaffen, in dem das Baby mit Mutter und Vater in Verbindung treten und ihre Beziehung aufbauen sowie stärken kann.“ Finanziert wurden die klangvollen Zupfinstrumente vom BVB und dem Förderverein Neonatologie.

(Von Adriane Grunenberg, Volontärin der Unternehmenskommunikation, Klinikum Dortmund)

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