Sofort Knie-OP? Im Klinikum untersuchen u.a. auch Schmerzmediziner

Mit Blick auf die aktuellen Schlagzeilen wegen angeblich unnötiger Gelenkersatzoperationen am Kniegelenk und erheblichen Unterschieden in der regionalen Verteilung in Deutschland sieht sich Prof. Dr. Christian Lüring, Direktor der <link>Klinik für Orthopädie im Klinikum Dortmund, in seiner Analyse bestätigt. Der Mediziner hat bereits 2013 als Studien-Autor für die Bertelsmann Stiftung gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) und dem AOK-Bundesverband an einer bundesweiten Auswertung der OP-Verteilung gearbeitet. Er beobachtet seit geraumer Zeit, dass Patienten mit einer Arthrose des Knie- und Hüftgelenks die konservative Behandlung nicht vollends ausreizen und zu früh auf den Erfolg einer Operation setzen. „Viele Patienten kommen dann zu uns, um sich eine zweite Meinung einzuholen. Bei immerhin jedem Vierten kommen wir zu dem Ergebnis, dass er erst einmal noch Krankengymnastik, Schuheinlagen oder Spritzen bekommen kann, also keine OP nötig ist“, so Prof. Lüring.

Die Gründe für die Mengenentwicklung sind vielfältig, die aktuelle Bericht-Erstattung ist häufig interessengesteuert. „Betrachtet man den Anstieg der Endoprothesen-Zahlen nicht nur in den letzten drei Jahren, sondern – wie im Bericht der Bertelsmann-Stiftung eigentlich dargestellt – im Gesamtverlauf seit 2009, fällt die Steigerungsrate, über die gerade diskutiert wird, deutlich moderater aus und liegt mit etwa acht Prozent im internationalen Durchschnitt“, so Prof. Lüring.

 

Gelenkersatz ist in den letzten Jahren kontinuierlich besser geworden

Ein Hauptfaktor dafür ist der demografische Wandel, also die immer älter werdende Gesellschaft. Zudem sind die Ergebnisse der Gelenkersatzoperation in den letzten Jahren kontinuierlich besser geworden. Von dieser Entwicklung möchten natürlich sowohl ältere, aber vor allem auch jüngere Arthrose-Patienten profitieren. Konservative Methoden können diesen Erfolg aber nicht immer leisten. Daher ist es aus Sicht von Prof. Lüring nachvollziehbar, dass viele Patienten die Operation wünschen.

 

Im Klinikum beurteilt ein Team u.a. aus Orthopäden & Schmerzmedizinern

Trotzdem empfiehlt der Mediziner, der zur Beurteilung solcher Fälle u.a. eng mit den Kollegen aus der <link>Klinik für Schmerzmedizin und der Physiotherapie im Klinikum Dortmund zusammenarbeitet, gerade den ganzheitlichen Blick auf die Erkrankung nicht aus den Augen zu verlieren. Sein Rat an die Patienten: „Lassen Sie sich nicht nur von Ärzten beraten, die operieren, sondern auch von Kollegen, die erfahren in der konservativen Therapie der Arthrose sind. Darunter zählen Schmerzmediziner, konservativ tätige Orthopäden und Krankenhausärzte, die eine breite Ausbildung haben und erst einmal andere Ansätze der Behandlung bevorzugen“, so Prof. Lüring.

 

Entscheidung zur Operation darf nicht zu früh gestellt werden

Die Fachgesellschaften haben in den letzten Jahren die Qualität der Behandlung durch Zertifizierung von Kliniken weiter verbessert. Ein Kernpunkt dieser Initiative ist es sicher zu stellen, dass durch eine ausführliche ärztliche Beratung die Entscheidung zur Operation nicht zu früh getroffen wird und zuvor eine angemessene konservative Behandlung erfolgt ist. Auch die Orthopädische Klinik im Klinikum Dortmund hat dieses aufwändige Zertifizierungsverfahren auf sich genommen und steht vor der Zertifizierung. „Alle erforderlichen Qualitätssicherungsmaßnahmen haben wir seit geraumer Zeit etabliert, die Qualität der Beratung und Behandlung bei Arthrose des Knie- und Hüftgelenks ist bei uns noch besser geworden“, sagt Prof. Lüring.

 

„Da wird viel Vertrauen zwischen Arzt und Patienten zerstört.“

Die aktuelle Diskussion kritisiert Prof. Lüring als hysterische Überreaktion, die sich aus manch einem Zeitungsartikel zu diesem Thema lesen lasse. „Da wird viel Vertrauen zwischen Arzt und Patienten zerstört“, so Prof. Lüring. Man könne schlichtweg nicht pauschal sagen, dass ein Arzt, der einem Menschen im Alter von 50 Jahren eine Knieprothese empfiehlt, aus Profitgier handelt. „Es kann durchaus Menschen in diesem relativ jungen Alter geben, denen mit einer Prothese besser geholfen ist als mit jeder anderen konservativen Therapie. Zum Beispiel dann, wenn sie in ihrem Leben bis dahin extrem viel Sport getrieben haben.“ Entscheidend für eine Therapie sei u.a. neben einer Röntgenaufnahme, der genauen Gelenkuntersuchung und auch das individuelle Leidempfinden des Patienten.

 

Konservative Behandlung wird unzureichend vergütet

Trotzdem sieht er in der Diskussion auch positive Aspekte: „Es wird wieder über den Sinn und Nutzen der konservativen Therapie diskutiert“. Seit Jahren wird die alternative konservative Behandlung unzureichend vergütet und von Politik und Krankenkassen unzureichend gefördert. Wenn ärztliche Beratung und konservative Maßnahmen nicht angemessen honoriert werden, ist die frühere Entscheidung zum Kunstgelenkersatz keine Überraschung. Mehr als sechs Einheiten Physiotherapie pro Quartal und Patient lassen die Budgets der Ärzte nicht zu. „Studien belegen aber einwandfrei, dass das nicht ausreichend ist“. Pilotprojekte zwischen Fachgesellschaften, Krankenkassen und Physiotherapeuten zeigen aber, dass es auch anders geht. Hier muss nach Einschätzung von Prof. Lüring ein Umdenken insbesondere bei der Politik und den Kostenträgern stattfinden.

 

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